Prospektaushändigung und Risikoaufklärung bei Kapitalanlagevermittlung

OLG Bremen, Urteil vom 01.10.2004 – 4 U 33/04

Prospektaushändigung und Risikoaufklärung bei Kapitalanlagevermittlung

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Bremen v. 30.03.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 9.344,02 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf 7.126,13 Euro seit dem 16.05.2001 und auf weitere 2.217,89 Euro seit dem 11.09.2003 zu zahlen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten 1. Instanz haben die Parteien wie folgt zu tragen:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 60 % und die Beklagte zu 2) 40 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 20 % und die Beklagte zu 2) 80 % zu tragen.

Die Kosten 2. Instanz haben die Parteien wie folgt zu tragen:

Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 30 % und die Beklagte zu 2) 70 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben die Klägerin 60 % und die Beklagte zu 2) 40 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 10 % und die Beklagte zu 2) 90 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

A. Die Klägerin verlangt nach Berufungsrücknahme ggü. dem Beklagten zu 1) nur noch von der Beklagten zu 2) Schadensersatz wegen der Vermittlung von zwei Besteiligungen an der sog. Göttinger Gruppe.

Die Klägerin zeichnete nach Vermittlung des Beklagten zu 1) im März 1999 zwei atypisch stille Beteiligungen an der S. AG.

Am 01.12./18.12.2000 schloss die Klägerin mit der S. AG für jede der Beteiligungen einen Aufhebungsvertrag. Durch diese Verträge wurden die Beteiligungen einvernehmlich zum Ende des Geschäftsjahres 2000 gegen Zahlung eines Betrages i. H. v. insgesamt 17.000,– DM aufgehoben.

Nach Rechtshängigkeit der Klage ist die Beklagte zu 2) zunächst liquidiert und sodann am 31.07.2003 im Handelsregister gelöscht worden.

Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte zu 1) für die Beklagte zu 2) in deren Namen und Vollmacht gehandelt habe. Die Beklagte zu 2) hafte aus der Verletzung von Aufklärungspflichten aufgrund des zwischen den Parteien zustande gekommenen Anlagevermittlungsvertrages. Denn sie sei nicht in dem notwendigen Umfang über die Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt worden. Einen Emissionsprospekt habe sie erst nach der Zeichnung der Einlage erhalten. Eine ausreichende mündliche Aufklärung sei durch den Beklagten zu 1) nicht erfolgt. Auch habe der Beklagte zu 1) nicht über die negative Presseberichterstattung, mit der die Göttinger Gruppe überzogen worden sei, aufgeklärt. Ihr stehe gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch i. H. v. 11.437,76 Euro zu.

Der Beklagte zu 1) hat behauptet, er habe den Prospekt vor der Zeichnung übergeben und die Klägerin auch mündlich über die Risiken der Anlage aufgeklärt. Über die Presseartikel habe er nicht aufklären müssen. Die Beklagte zu 2) hat die Klage gegen sich für unzulässig gehalten. Darüber hinaus hat sie behauptet, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Beklagten zu 1) und ihr nicht bestanden habe. Beide Beklagte haben die Schadenshöhe bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Bremen v. 30.03.2004 ergänzend Bezug genommen.

Das LG hat die Klage mit Urt. v. 30.03.2004 abgewiesen, weil die Beklagten ihren Verpflichtungen aus dem Anlagevermittlungsvertrag nachgekommen seien und eine unrichtige mündliche Aufklärung durch den Beklagten zu 1) nicht kausal geworden sei.

Mit der Berufung hat die Klägerin zunächst ihre Ansprüche in voller Höhe gegen beide Beklagte weiter verfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung v. 17.09.2004 hat sie die Berufung gegen den Beklagten zu 1) zurückgenommen und den ursprünglichen Berufungsantrag gegen die Beklagte zu 2) um 2.093,74 Euro reduziert.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Bremen die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie 9.344,02 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2001 zu zahlen.

Die Beklagte zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin v. 01.07.2004 (Bl. 317 ff. d.A.) und v. 08.09.2004 (Bl. 348 ff. d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten zu 2) v. 09.08.2004 (Bl. 338 ff. d.A.), jeweils mit Anlagen.

B. I. Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem noch aufrecht erhaltenen Umfang bis auf einen Teil des Zinsanspruchs Erfolg.

1. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist zulässig, weil die Beklagte zu 2) trotz der Löschung im Handelsregister als partei- und prozessfähig anzusehen ist (BAG, Urt. v. 04.06.2004 – 10 AZR 448/02, GmbHR 03, 1009; BGH NJW 79, 1592, zur Parteifähigkeit; v. 18.01.1994 – XI ZR 95/93, GmbHR 94, 260 = NJW-RR 94, 542; v. 08.02.1993 – II ZR 62/92, BGHZ 121, 263, 266 = AG 93, 338 = MDR 93, 1238 = GmbHR 93, 508, zur Prozessfähigkeit).

2. Die Klage ist gegen die Beklagte zu 2) bis auf einen Teil des Zinsanspruchs auch begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 2) ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem über den Beklagten zu 1) geschlossenen Anlagevermittlungsvertrag zu.

a) Ein Anlagevermittlungsvertrag kommt zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (BGH NJW-RR 03, 1690).

In Abgrenzung zu einem Anlageberatungsvertrag übernimmt der Anlagevermittler – für den Anlageinteressenten erkennbar – den Vertrieb für eine bestimmte Kapitalanlage. An ihn wendet sich der Anlageinteressent in der Regel in dem Bewusstsein, dass der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen bzgl. der konkreten Anlageform wegen der zu Gunsten des Anlagevermittlers bestehenden Provisionsabrede im Vordergrund steht. Ihm tritt der Anlageinteressent daher von vornherein selbständiger ggü. als dem Anlageberater (BGH v. 17.10.1989 – XI ZR 173/88, MDR 90, 434 = NJW 90, 506, 507; LG Stuttgart BKR 03, 386, 387). Vorliegend hat sich der Beklagte zu 1) nach dem Vortrag der Klägerin an sie gewandt, nachdem er zuvor dem Zeugen M. bereits eine stille Beteiligung an der S. AG vermittelt und diesen nach weiteren Interessenten befragt hatte. Es ging offensichtlich in den Gesprächen zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) von Anfang an ebenfalls nur um die stille Beteiligung an der S. AG. Dass die Klägerin von dem Beklagten zu 1) eine Beratung über Vor- und Nachteile verschiedener Anlageformen zugeschnitten auf ihre persönlichen Bedürfnisse und Verhältnisse gewünscht habe, trägt sie nicht vor. Vielmehr ist von dem Beklagten zu 1) von Anfang an nur die eine Anlagemöglichkeit angeboten und angepriesen worden.

Dieser Anlagevermittlungsvertrag ist mit der Beklagten zu 2) zustande gekommen.

Der Beklagte zu 1) hat im Namen der Beklagten zu 2) gehandelt, in dem er der Klägerin eine Visitenkarte vorlegte, die im Kopf die Firma und das Logo der Beklagten zu 2) auswies. Außerdem verwendete der Beklagte zu 1) bei der Erstellung der sog. Finanzanalyse Briefpapier der Beklagten zu 2) Die Klägerin konnte aufgrund dieser Umstände davon ausgehen und ist davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1) für die Beklagte zu 2) auftrat.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) ausdrücklich oder stillschweigend Vollmacht für den Abschluss der Verträge erteilt hat. Die Beklagte zu 2) muss sich jedoch aus den Grundsätzen der Duldungsvollmacht das Handeln des Beklagten zu 1) zurechnen lassen. Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BGH LM § 167 Nr. 4). Von der stillschweigend erteilten Vollmacht unterscheidet sich die Duldungsvollmacht dadurch, dass der Vertretene bei der Duldungsvollmacht keinen Willen zur Bevollmächtigung hat (BGH LM § 167 Nr. 10). Die Beklagte zu 2) hat den Beklagten zu 1) unstreitig geschult und ihn mit Material versorgt, insb. die Emissionsprospekte überlassen. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten zu 2) ist nach der Eintragung ins Handelsregister u.a. die Koordination der Vermittlung von Produkten unterschiedlicher Kapitalanlagegesellschaften gewesen, so dass es nahe liegt, dass die Koordination auch die Vermittlung selbst zum Gegenstand hatte. Schließlich folgt aus den von dem Beklagten zu 1) überreichten Unterlagen, deren Inhalt die Beklagte zu 2) nicht widersprochen hat, dass die Beklagte zu 2) von dem Handeln des Beklagten zu 1) für sie Kenntnis hatte. Das eine Schreiben (Schr. v. 22.09.1998, Bl. 153 d.A.) enthält die Mitteilung der Beklagten zu 2) an den Beklagten zu 1), dass seine Provision für den Volkswohlbund angehoben werde. Das weitere Schreiben (Schr. v. 17.08.1998, Bl. 154 d.A.) der Beklagten zu 2) beinhaltet einen Erfolgsbericht des Beklagten zu 1) über von ihm verkaufte Produkte. In der Aufstellung sind sodann u.a. stille Besteiligungen „EK 7“ und „EK 8“ aufgeführt, also gerade teilweise solche, die auch die Klägerin gezeichnet hat. Ergänzend wird zur Annahme einer Duldungsvollmacht auf die Erläuterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

b) Die Beklagte zu 2) hat ihre Aufklärungspflichten aus dem Anlagevermittlungsvertrag verletzt, da eine ausreichende Auskunft durch den Beklagten zu 1), der als ihr Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB zu behandeln ist (BGH v. 05.03.1998 – III ZR 183/96, MDR 98, 638 = NJW 98, 1854), weder schriftlich noch mündlich erfolgte.

Ein Anlagevermittlungsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH NJW-RR 03, 1690).

Eine erforderliche Aufklärung ist nicht durch die im Zeichnungsschein enthaltenen Hinweise erfolgt. Zwar wird dort darauf hingewiesen, dass die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter keine festverzinsliche Kapitalanlage, sondern eine Unternehmensbeteiligung darstelle und dass bei Beendigung der stillen Gesellschaft zum Ausgleich eines eventuellen negativen Auseinandersetzungsguthabens eine Nachschusspflicht gehören könne. Diese Hinweise reichen aber grundsätzlich nicht aus, um einen Interessenten über das tatsächlich bestehende hohe Verlustrisiko ausreichend zu informieren (OLG Braunschweig, Urt. v. 19.03.2003 – 3 U 38/02).

Eine ausreichende Aufklärung durch den Beklagten zu 1) ist aber auch nicht durch den ausgehändigten Emissionsprospekt erfolgt. Es ist kann offen bleiben, ob die Klägerin tatsächlich entsprechend der schriftlichen Bestätigung auf dem Zeichnungsschein den Emissionsprospekt bereits am Tage der Zeichnung der Beteiligung am 31.03.1999 ausgehändigt erhielt oder nicht. Selbst wenn die Klägerin ihn am 31.03.1999 erhalten haben sollte, ist eine ausreichende Aufklärung zu verneinen. Der Prospekt enthält zwar in dem Abschnitt H eine elfseitige Risikobelehrung, die von der Klägerin auch inhaltlich nicht beanstandet wird. Dennoch kann eine ausreichende Aufklärung nicht angenommen werden, weil die Klägerin die Gelegenheit haben musste, den insgesamt 138 Seiten umfassenden Prospekt in Ruhe zu lesen, um sich ein umfassendes Bild über die einzugehenden Risiken machen zu können. Dies war aber am 31.03.1999 nicht möglich, so dass auch der Beklagte zu 1) nicht erwarten konnte, die Klägerin allein durch die bloße Übergabe des Prospektes ausreichend informiert zu haben (OLG Frankfurt, Urt. v. 15.07.2004 – 3 U 135/02). Bei einem derart umfangreichen Prospekt bedurfte es hier einer zusätzlichen mündlichen Information (OLG Frankfurt, Urt. v. 15.07.2004 – 3 U 135/02). Dabei kann offen bleiben, ob in jedem Fall neben einer schriftlichen Aufklärung eine zusätzliche mündliche Aufklärung zu erfolgen hat (OLG Frankfurt, Urt. v. 15.07.2004 – 3 U 135/02; LG Hannover DB 02, 1707, 1708).

Eine solche zusätzliche mündliche Aufklärung kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat grundsätzlich die Verletzung von Aufklärungspflichten darzulegen und zu beweisen. Beweisschwierigkeiten des Anlegers, die sich aus der Führung eines Negativbeweises bei behaupteter Nichtaufklärung ergeben, werden dadurch überwunden, dass der Vermittler die Behauptungen des Anlegers substantiiert bestreiten muss (BGH v. 20.06.1990 – VIII ZR 182/89, MDR 91, 238 = NJW-RR 90, 1422; OLG Düsseldorf v. 24.08.1995 – 6 U 138/94, OLG-Report Düsseldorf 96, 158 = WM 96, 1082, 1086, m.w.N.), d. h. er muss konkret darlegen, wann, wo und insb. wie er die gebotene Aufklärung vorgenommen hat (OLG Düsseldorf v. 24.08.1995 – 6 U 138/94, OLG-Report Düsseldorf 96, 158 = WM 96, 1082, 1086, m.w.N.)

Hier behauptet die Beklagte zu 2) zwar, der Beklagte zu 1) habe die Klägerin über die Risiken der Beteiligung an der Göttinger Gruppe aufgeklärt. Dieser Vortrag ist jedoch ohne jede Substanz. Der Beklagte zu 1) hätte der Klägerin im Ergebnis die Risiken, die in dem Abschnitt H des Emissionsprospektes dargestellt sind, insb. die Themen Nachschusspflicht und Totalverlust, im Einzelnen erläutern müssen. Dass der Beklagte zu 1) dies getan hat, ist dem Vortrag der Beklagten zu 2) nicht zu entnehmen.

Ob der Beklagte zu 1) die Klägerin auch über die negative Presseberichterstattung aufklären musste, kann damit dahinstehen.

c) Es ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die in wesentlichen Punkten unvollständige Aufklärung ursächlich für die Beteiligungsentscheidung der Klägerin war (BGH v. 13.01.2000 – III ZR 62/99, MDR 00, 405 = NJW-RR 00, 998).

d) Die Klägerin kann von der Beklagten zu 2) den noch geltend gemachten Schaden i. H. v. 9.344,02 Euro verlangen.

Im Rahmen des Schadensersatzes ist der Anleger grundsätzlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er die beiden stillen Beteiligungen nicht gezeichnet hätte, ohne dass es darauf ankommt, ob die Investition werthaltig gewesen ist (BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 354/02, AG 04, 610 = BGH-Report 04, 1498).

Bei der Berechnung des Schadens kann die Klägerin danach ihre gezahlten Einlagebeträge inklusive der jeweiligen Agios ansetzen. Darüber hinaus sind ihr die zur Finanzierung der Einmalanlage entstandenen Darlehenszinsen i. H. v. insgesamt 6.857,81 DM zu erstatten. Nachdem die Beklagte zu 2) die Darlehenszinsen zunächst der Höhe nach bestritten hatte, hat die Klägerin einen zeitnah zur Zeichnung der stillen Beteiligungen eingegangenen und unwidersprochen der Finanzierung des Einmaleinlagevertrages dienenden Darlehensvertrag v. 27.05.1999 über 32.000,– DM sowie mehrere Zinsbescheinungen aus den Folgejahren vorgelegt, denen die Beklagte zu 2) nicht mehr entgegen getreten ist.

In Abzug zu bringen sind die unstreitig gewordenen Entnahmen i. H. v. 3.082,50 DM sowie der von der Klägerin zurückgenommene Betrag i. H. v. 4.095,– DM. Schließlich sind die aufgrund der Vergleiche mit der S. AG gezahlten 17.000,– DM abzusetzen.

Dies ergibt folgende Abrechnung:

Einmaleinlage v. 31.03.1999 bei S. AG 31.500 DM
zzgl. Zinsen für das Darlehen … +6.857,81 DM
abzgl. Entnahmen ab Juli 1999 – 3.082,50 DM
Zwischensumme 35.275,31 DM
zweiter Rateneinlage-Vertrag beider S. AG 4.095 DM
Zwischensumme 39.370,31 DM
abzgl. Vergleichszahlung Securenta AGv. 04.01.2001 –17.000 DM
abzgl. zurückgenommener Betrag – 4.095 DM
verbleiben 18.275,31 DM
entspricht 9.344,02 Euro

Soweit die Beklagte zu 2) die Ansicht vertritt, dass die Klägerin gehalten sei, im Einzelnen darzulegen, dass der Abschluss der Aufhebungsverträge günstiger gewesen sei als eine Auseinandersetzung der Gesellschaft, so ist diese Ansicht nicht zutreffend.

Die S. AG und die Beklagte zu 2) sind Gesamtschuldner. Denn sowohl die S. AG als auch die Beklagte zu 2) haften der Klägerin aus der Verletzung von Aufklärungspflichten, wobei die Klägerin die Leistung nur einmal von den beiden Gesamtschuldnern fordern kann. Die jeweiligen Ansprüche der Klägerin haben die Rückzahlung der geleisteten Einlagen zum Inhalt (BGH, Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 354/02, AG 04, 610 = BGH-Report 04, 1498), so dass die Identität des Leistungsinteresses zu bejahen ist. Darüber hinaus ist auch eine gleichstufige Verpflichtung der Gesamtschuldner zu bejahen, da durch die Erfüllung der einen Schuld auch die anderen erlöschen, sog. Tilgungsgemeinschaft (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 421 Rz. 6).

Nach § 423 BGB wirkt sich eine ggü. einem Gesamtschuldner vorgenommene Erlasshandlung nur dann zugunsten des übrigen Gesamtschuldners aus, wenn das Rechtsgeschäft zwischen ihnen dahin auszulegen ist, dass das ganze Schuldverhältnis aufgehoben werden soll. Ein entsprechender übereinstimmender Parteiwille muss sich aus dem Inhalt der Willenserklärungen durch Auslegung feststellen lassen. Im Zweifel hat der Erlass nur Einzelwirkung (BGH v. 21.03.2000 – IX ZR 39/99, MDR 00, 943 = NJW 00, 1942).

Nach den gleichlautenden Ziff. 1. der Aufhebungsverträge zwischen der Klägerin und der S. AG v. 18.12.2000 sollten mit Abschluss der Verträge sämtliche gegenseitigen Rechte und Pflichten für die beteiligten Parteien aus den Beteiligungsverhältnissen abgegolten sein. Nach diesem Wortlaut ist die Verpflichtung der Beklagten zu 2) nicht von den Verträgen erfasst, weil die Beklagte zu 2) nicht Partei des Beteiligtenverhältnisses gewesen ist. Zudem hat die Klägerin in der damaligen Situation nicht Interessen hinsichtlich des gesamten Schuldverhältnisses verfolgt, sondern nur eigene legitime Durchsetzungschancen hinsichtlich der Rückzahlung des angelegten Kapitals realisiert (OLG Celle v. 27.11.2001 – 11 U 101/01,´OLG-Report Celle 02, 84).

Infolgedessen kann die Klägerin wegen der Einzelwirkung der Erlassverträge von der Beklagten zu 2) die volle Schadensersatzleistung unter Abzug des Vergleichsbetrages und der weiteren dargelegten Beträge verlangen. Die Gesamtschuldner haben sich sodann ggf. im Innenverhältnis über die Werthaltigkeit der rückübertragenen Beteiligungsrechte auseinanderzusetzen.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 288 BGB. Hinsichtlich der geltend gemachten Darlehenszinsen ist i. H. v. 4.337,81 DM (2.217,89 Euro) Verzug erst durch Rechtshängigkeit am 11.09.2003 eingetreten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 2, 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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